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Vielleicht ist es an dieser Stelle gestattet, dass sich auch einmal ein Grünschnabel zu Wort meldet, auch wenn er prinzipiell die gleiche Meinung vertritt, wie Norwichkröpfer. Ich denke, wir sollten hier weniger über beheizte oder unbeheizte Nistschalen reden, sondern mehr darüber, was wir aus unserem Hobby machen wollen.
Es gibt zwei Wege und es ist an der Zeit,endlich Grenzen zu ziehen.
Der erste Weg führt den Tauben “geradewegs entgegen” und verspricht wahrscheinlich kurzfristig mehr Erfolg auf den Ausstellungen. Wer diesen Weg einschlägt kann sich ohne Probleme für beheizte Nistschalen enscheiden, muss aber akzeptieren, dass dies nur ein Schritt von vielen sein wird. Grundsätzlich geht es darum, den Tauben alles zukommen zu lassen, was Geldbeutel und Wissenschaft hergibt. Das heisst im Klartext, man behandelt jede Krankheit sofort, impft soviel es geht, beheizt (oder besser: klimatisiert) die Schläge und peppelt am besten jedes Jungtier von Hand hoch, damit auch keines im Nest zurückbleibt. Zusätzlich reinigt man den Schlag mindestens 2x täglich, am besten jedoch noch öfter. Ins Trinkwasser kommt jeden Tag ein neues Medikament oder Wundermittelchen, entweder präventiv oder einfach zur Stärkunge der Tauben. Ich glaube, es gibt Züchter, die diese Liste um die abnormalsten und unvorstellbarsten Maßnahmen zum “Wohle der Tiere” erweitern können. Bei mir ist weder genug Geld noch Interesse vorhanden um darüber berichten zu können, was man noch so machen kann.
Der zweite Weg führt vermeintlich weg vom Tier. In den Schlägen der Züchter, die sich für diesen Weg entscheiden geht es etwas rustikaler zu. Ich würde sogar sagen, dass es prinzipiell nicht rustikal genug sein kann.
Im extremsten Fall (und von dem will ich an dieser Stelle ausgehen) wird nur da geholfen, wo die Menschenobhut, in der sich die Tiere befinden, nicht die gleichen Bedingungen zulässt, wie sie in der Natur vorkommen. Zum Beispiel werden nur solche Substanzen übers Wasser verabreicht, die lebensnotwendig sind und die nicht über Futter oder Taubenstein zu sich genommen werden, natürlich auch nur in minimaler Dosierung. Es wird nur selten saubergemacht, um einen konstanten Infektionsdruck im Schlag zu erhalten. Tiere die krank werden, bleiben nach Möglichkeit sich selbst überlassen oder werden (falls nicht durch die Krankheit verhindert) gegessen, höchstens jedoch isoliert. Natürlich ist dieser zweite Weg in seiner rustikalsten Form reine Phantasie, ich würde jedoch sagen eher eine Utopie(=bestmöglicher Zustand). Sakastisch könnte man sagen: Es ist eine Utopie, weil wir den ersten Weg schon zu weit gegangen sind.
Also:
Der erste Weg verspricht mehr Erfolg. Das liegt daran, dass viel mehr Junge heranwachsen. Jeder, der nur ein bisschen von der Evolutionstheorie oder simpler Logik versteht, wird wissen, dass damit die Chance wächst, ein Tier mit “vorzüglichen rassetypischen” Eigenschaften zu erzüchten. Leider, muss man jedoch sagen, sind solche Tiere selten auch vorzüglich, wenn es um andere genetisch bedingte Eigenschaften geht. Sie sind vielleicht nicht so vital, nicht so resistent und nicht so fütterungswillig, wie die weniger rassetypischen. Man züchtet also relativ konsequent mit Tieren, die ohne die ganzen Prothesen (Im übertragenden Sinne sind Impfungen, Medikamente oder beheizte Nistschalen nichts anderes) gar nicht überlebt hätten. All diese negativen Eigenschaften werden weitervererbt, bis schließlich das nächste vorzügliche Tier mit rassetypischen Merkmalen und noch negativeren Eigenschaften hochgepeppelt wird. Auch mit diesem wird weitergezüchtet und so schließt sich der Kreis.
Der zweite Weg ist, je nach Eifer, mit dem man ihn verfolgt, sehr steinig. Man braucht auf jeden Fall viel länger um in den Rassemerkmalen voranzukommen. Dafür erhält man jedoch nach Jahren der Ernüchterung vielleicht einmal eine Zucht aus resistenten, vitalen und genetisch vielseitig hervorragenden Tieren, die dann nicht nur den Züchter, sondern auch die Rasse und damit das ganze Hobby nach vorne bringt. Wer es mit dieser Methode schafft, seine Zucht zu etablieren, hilft den Rassetauben etwas von ihrer ursprünglichen Widerstandskraft wiederzugeben, die es “einfach einfacherer” macht, Tauben zu züchten. Nicht zuletzt wird damit unser Hobby auch wieder interessanter für Leute, die nicht die Zeit, wohl aber die Tierliebe haben, sich tagtäglich mit Tauben zu beschäftigen.
Der ein oder andere, wahrscheinlich die meisten, werden jetzt denken, was ich hier erzähle, ist doch ein alter Hut. Nun, eigentlich sehe ich das auch so, aber es scheint Leute zu geben, die das vergessen haben. In den Geflügelzeitungen stehen wöchentlich Berichte über irgendwelche Wundermittel, die Medikamentenschränke der Züchter füllen
sich und hier diskutiert man über beheizte Nistschalen.
Ich halte meine Tauben sicherlich auch nicht so, wie man es fordern könnte.(Schon allein, weil keines meiner Lackschildmövchen eine rustikale Haltung mehr als zwei Monate überleben würde, leider). Doch ich bin der Meinung, wir alle müssen uns überlegen, wie weit wir noch gehen wollen und worin unsere Liebe zum Tier und zu diesem Hobby besteht. Dass ich mir den Frust an dieser Stelle von der Seele spreche, liegt daran, dass meine Grenze mit beheizten Nistschalen schon einige Kilometer überschritten wäre, so wichtig kann eine Landesschau garnicht sein.
Das ist nicht persönlich gemeint, ich denke man kann meinen Schwall von Worten, die ich loswerden wollte, noch auf unzählige andere Angelegenheiten beziehen. Jeder braucht sich nur zu überlegen, wo er es seinen eigenen Tauben vielleicht überflüssigerweise “zu einfach macht”.
Das soll es auch gewesen sein, nun werd ich mal meine Sehnenscheidentzündung kurieren.