Rassetauben – Wissenswertes für Interessierte und Einsteiger

Historischer Rückblick

Von allen Haustierarten, die wir Menschen nutzen, ist derart keine solche Rassenvielfalt bekannt, wie sie die Tauben als solche vereinen. Nur an den Kältepolen nicht, werden sie auf der ganzen Welt von Liebhabern gehalten. In mancherlei Varietäten mit einer Fülle von Formen, Farben, Strukturen, der Warzenbildung im Kopfbereich wegen und ihre Trommelstimme löst seit eh und je Begeisterung aus. Aber auch mit ihren unterschiedlichen Flugeigenschaften kommen sie traditionell in unterschiedlichen Disziplinen zum Einsatz, werden sie von ihren Haltern seit beinahe Menschengedenken gehegt und gepflegt. Zunächst dienten sie mit ihrem schmackhaften Fleisch für die Bereicherung des Speiseplans in den Küchen der nach Aufgabe des Nomadentums sesshaft gewordenen Siedler. Späterhin sorgten sie für amüsante Unterhaltung, heute stehen sie bei internationalen Vergleichen im Wettbewerb um hohe Ehrenpreise.

Ursprung

Die Stammeltern der weltweit verbreiteten Taubenrassen sind die in verschiedenen Landregionen des eurasischen Kontinents ansässigen Felsentauben, columba livia. Wie die Tauben zu Haustieren geworden sind ist bislang noch nicht ergründet. Entweder sind die Wildlinge in die Nähe der Menschen gefolgt oder sind sie von ihnen eingefangen und gezähmt worden.

Sicher ist, dass die Domestikation – die Haustierwerdung der Tauben – sich vor etwa 6.000 oder sogar mehr Jahren im jetzigen Irak, dem damaligen Mesopotamien vollzog. Darüber hinaus reichte ihr Vorkommen sehr bald nach Nordafrika und weit hinein in die südostasiatischen Regionen wie Indien, Pakistan, Persien und deren Nachbarländer, gehörten sie in den sich langsam entwickelnden Ballungszentren dort zum Ortsbild.

Rassenbildung

Sehr bald gelang es den Menschen durch offensichtlich gewordene Mutationen – Erbanlagenveränderungen – das Erscheinen von nicht nur urtypisch blaugefärbten Nachkommen, überraschend andersfarbiger Individuen – und durch züchterische Selektion, gemäß ihrer Veranlagungen solche Auffälligkeiten zu festigen. Ihre sehr früh erkannte ausgeprägte Ortstreue und das Heimfindevermögen mitunter über große Entfernungen, wurde ihre zuerst genutzte Eigenschaft, die sie als zuverlässige Nachrichtenüberbringerin auszeichnete, bis vor etwa 30 Jahren noch als Militär-Brieftauben ihren Dienst beispielsweise in der Schweiz verrichtete.

Besondere Flugstilvarianten und des Weiteren akrobatisch anmutende Kunstflugleistungen einiger Spezies führten dazu, sie zu trainieren. Den Neigungen der Sympathisanten dieser speziellen Tauben folgend, wirkten sich organisierte Konkurrenzvergleiche sehr positiv auf dieses Flugverhalten aus.

Parallel reifte unter den Taubenliebhabern schon in frühester Zeit der Wunsch, sie nach Farben zu züchten und zu unterscheiden, schließlich an ihrer örtlichen Erzüchtung bzw. Herkunft orientiert, sie danach zusammen gefasst namentlich zu standardisieren. So wurden aufgrund der Reichhaltigkeit von Taubenrassen nach deutschen Landesteilen benannt, entstanden unterschiedliche, sich ähnelnde oder um Nuancen nur voneinander abweichende Farbentaubenrassen so in Franken, Sachsen, Thüringen, Süddeutschland und über die Landesgrenzen hinaus – schon sichtbarer in Erscheinung tretend – in der Schweiz. Auch Städtenamen schlagen sich in der noch immer nachvollziehbaren Rassenamensgebung nieder, sind sie doch deutliche Beweise, die das Züchten von Rassetauben mit der Pflege historischen Kulturgutes rechtfertigen.

Weltweit verbreitet

Auf dem Erdenrund bevölkern mehr als tausend Taubenrassen die Schläge (ihre Unterkünfte) jener Züchter, die in der Beschäftigung mit diesen Vögeln einen Ausgleich zu ihrem Tagesgeschehen nutzen und in der für sie verbliebenen Freizeit darin eine sinnvolle Aufgabe sehen. Diese vielleicht noch höher liegende Rassenvielzahl verlangte aber auch eine übersichtliche Einteilung, um sie entsprechend ihrer vorgenannten Erscheinungsmerkmale einordnen zu können. In Deutschland sind über 330 Rassen anerkannt.

Einteilung in Gruppen

So einigte man sich auf die Eingruppierung in: Farben-, Formen-, Huhn-, Warzen-, Kropf-, Mövchen-, Struktur- und Trommeltauben sowie die der Tümmler mit den meisten Rassevertretern und letztlich die Spielflugtauben, deren Balzgehabe beim Werben um eine Täubin ihnen zu dieser Bezeichnung verhalf. Eine regelrechte Abstimmung vollzog sich genauso bei der Festlegung des jeweiligen Ringgrößensystems, das mit dem Anlegen eines geschlossenen Ringes mit dem üblichen Personalausweis oder einer Geburtsurkunde von uns Menschen gleichzusetzen ist. Dadurch wird die Identifizierung einer Rassetaube bei der Suche nach ihrer Herkunft, dem Geburtsjahr und des Züchters vereinfacht.

Günter Stach
VDT-Vorstandsmitglied von 1982 – 1998