Elegante Kropftaube mit zarter Figur und zutraulich-lebhaftem Wesen
… so, oder so ähnlich würde ich unseren Brünner Kröpfer mit einfachen Worten beschreiben wollen!
Mit einer unbändigen Lebensfreude ausgestattet und mit seiner grazilen Erscheinung konnte der Brünner Kröpfer die Sympathien von vielen Züchtern erringen, meist für ein Leben lang.
Was bedeutet dieses gewollte Erscheinungsbild nun für die Zucht und die Maßstäbe, die wir bei der Bewertung des Brünner Kröpfers anlegen müssen?
Der Standard ist Grundlage für die Zuchtrichtung jeder Rasse, es ist niedergeschrieben auf was wir uns als Züchter verständigt haben, mit welchen Vorgaben zu Bewerten ist und das was wir züchterisch erreichen wollen.
Als umfassendes Werk beschreibt der Standard nicht nur das Wesentliche, sondern auch sehr detailliert, in einzelnen Körperpartien unterteilt, was den Verantwortlichen wichtig und Grundlage für die Weiterentwicklung der jeweiligen Rasse ist.
Und doch finden wir in allen Rassen mehr oder weniger verschiedene Interpretationen durch Züchter und auch Preisrichter dieser Vorgaben!
An dieser Stelle ist jeder Sonderverein gefordert gleiches Verständnis Aller zum geschriebenen Wort des gültigen Rassestandard herzustellen.
Züchter- und Preisrichterbesprechungen sind aus meiner Sicht dafür sicherlich eines der geeigneten Werkzeuge um sich zum Thema auszutauschen.
Zudem sind die jährlichen Hauptsonderschauen ein Spiegel dessen was erreicht wurde bzw. was noch umgesetzt werden muss um der Standartbeschreibung nahe zu kommen. Aber auch wiederkehrende Diskussionen zu den einzelnen
Merkmalsausprägungen können hier fruchtbar sein und diese sollten auch geführt werden.
Als Diskussionsgrundlage sollten wir immer wieder die Standardvorgaben, Vitalität des Brünners und allgemein das Tierwohl im Blick behalten um auf einen „Nenner“ in der Interpretation zu kommen.
Das Ideal wäre natürlich diesbezüglich immer einer Meinung zu sein und eine Richtung zu haben, in den wesentlichen Punkten ist das auch im großen Kreise des Club der Brünner-Kröpfer-Züchter so!
Klärungsbedarf besteht eigentlich immer nur in der Ausprägung des jeweiligen Merkmals das unseren Brünner zu dem macht was er ist und wo er noch Potenzial zur Verbesserung hat.Hier ist auch eine „Übertreibung“ des Merkmals, wie so oft im Leben, ein schlechter Ratgeber. Ein gesundes Maß in jeder Merkmalsausprägung muss unser Ziel sein. Was macht es eigentlich ein Stück weit beschwerlich das „Ideal“ des Brünners, wie eine Blaupause, bei Züchtern und Preisrichtern zu proklamieren?
Ich denke, dies gibt schon das komplexe Erscheinungsbild des Mitgeschöpfes Taube, die Art wie wir Zuchttiere auswählen und unser Bewertungssystem so einfach nicht her! Vielleicht wäre es sogar respektlos jede dieser kleinen „Persönlichkeiten“ in eine Schablone pressen zu wollen und zum Beispiel mit Längenmaßen oder Gewichtseinheiten zu drangsalieren, dennoch brauchen wir eine gewisse Einheitlichkeit im Idealbild des Brünner Kröpfers.
Unser Standard beschreibt wohlweislich ein Erscheinungsbild ohne Maßangaben, die verwendeten Begrifflichkeiten sind subjektiv, meist etwas „dehnbar“ und immer im Konsens zur Gesamterscheinung zu sehen. Es ist ein fortwährender Prozess den Standard richtig auszulegen, das Auge zu schulen und dann sein Urteil über das Tier zu fällen, als Züchter und Preisrichter.
Wenn uns ein gut gezeichnetes Musterbild zur Verfügung steht, kann es eine wertvolle Hilfe sein um die Textpassagen des Rassestandards zu verstehen. Für den Künstler sicherlich eine Herkulesaufgabe diese Standardbeschreibung zeichnerisch richtig umzusetzen, meinen Respekt dafür!
Die Betrachtung des „Gesamteindrucks“ ist ein entscheidendes Kriterium für die Auswahl der Zuchttiere und für die Bewertung bei unseren Ausstellungen, folgerichtig steht es als erstes aufgeführt bei den Bewertungsvorgaben.
Alle noch so feine Rassemerkmale müssen in einem guten Verhältnis zueinander stehen, dann haben wir Hochrassigkeit, sprich der Gesamteindruck stimmt!
Als Unterstützung zur Bewertung der Tiere hat der Club der Brünner-Kröpfer für Züchter und Preisrichter gleichermaßen auch ergänzende Werkzeuge zum Standard geschaffen. In den „Vorgaben zur Bewertung“ werden nochmals verschiedene Merkmalsausprägungen beschrieben und in Qualitätsnoten klassifiziert um eine gemeinsame Zucht- und Bewertungsrichtung zu unterstützen. Ein umfassendes Werk das es uns ermöglicht unsere Subjektivität besser einordnen zu können und somit Rassemerkmale zu fördern, ggf. zu selektieren.
Ein Wort zu unserem Bewertungssystem. Trotz einer gewissen Unwägbarkeit im Detail die der subjektiven Bewertung geschuldet ist, halte ich persönlich unser Bewertungssystem für sehr gut. Es ist langjährig erprobt und mit hoher Zuverlässigkeit wird so in den allermeisten Fällen das beste Tier in der Kollektion ermittelt.
Wer sich einmal in die Rasse „Brünner Kröpfer“ verliebt hat, der suchte Harmonie in einer eleganten, von fließenden Formen geprägten Taubenfigur bei einer zarten, kleinen Kropftaube die einem mit ihrem zutraulichen Wesen in den Bann zieht!
Nun zum Kern des Berichtes, die Figur. Eine Begrifflichkeit die vieles in sich vereint ! Was bedeutet eine „gute Figur“ und wie können wir sie beim Brünner Kröpfer beschreiben?
Wie schon angeführt ist es eine Gesamtkomposition aus mehreren körperlichen Merkmalen die unseren Brünner Kröpfer figürlich und im Gesamtbild so einzigartig machen. Je näher das einzelne körperliche Detail an der Standardbeschreibung liegt, ohne das Gesamtbild durch einen anderen Eindruck zu stören, umso näher befinden wir uns an der idealen Figur. Auch eine Übertreibung bzw. Übertypisierung einzelner Rassemerkmale passt dabei nicht in das Gesamtbild, bei allem züchterischen Enthusiasmus müssen wir auch hier die Grenzen erkennen. Jede der im Standard genannten einzelnen körperlichen Komponente muss ein hohes Maß an Vollendung erreicht haben um von einer „vorzüglichen“ Figur zu
sprechen. Natürlich seiner Zeit und dem Farbenschlag angepasst, dann ist es dem „Zuchtstand entsprechend“. Diese Vorgehensweise lässt den nötigen Spielraum zur Weiterentwicklung für jede Rasse und gibt die Möglichkeit das Erreichte auf den Ausstellungen zu belohnen. Nachfolgen möchte ich die einzelnen Rassemerkmale aus der sich die Figur des Brünner Kröpfers zusammenfügt beschreiben und hervorheben was diese Auszeichnet. Was erst einmal alle Kröpfer verbindet ist natürlich der mit Luft gefüllte Kropf. Dieses Merkmal musste über Generationen in der Zucht immer wieder in den Mittelpunkt gerückt werden um es in jeder Rasse der Kröpfer zu festigen, mit diesem imposanten Gehabe ließ es so die Sparte der Kropftauben entstehen. Heute haben wir verschiedenste Ausprägungen des aufgeblasenen Kropfes die auch in ihrer Namensgebung immer eine gewisse Form beschreiben (Birnenkropf, Kugelkropf…) und somit wiederum einen entscheidenden Einfluss auf die Gesamtkomposition der Figur haben.
Der Kropf des Brünner Kröpfer – Blaswerk kugelförmig -, so wird er im Standard beschrieben. Um eine Kugelförmigkeit zu erreichen ist es wichtig dass der Hinterhals schon leicht ausgebogen ist, er schafft dann die Voraussetzung zum gewünschten Nackenblaswerk. Wenn dann noch der restliche Kropf gut mit Luft gefüllt ist, so dass der Schnabel sich leicht einbettet, haben wir die Kugelform erreicht.
Auch die Forderung einen möglichst langen Hals anzustreben ist bewusst gewählt und fördert den Erhalt eines gewissen Blaswerkvolumens das wir benötigen. Wenn nämlich die Halslänge in der Zucht einmal verloren ist, dann passt vieles nicht mehr und ein Teil des imposanten Erscheinungsbildes von unserem Brünner Kröpfers geht verloren!
Ein angemessenes Größenverhältnis im Volumen des aufgeblasenen Kropfes zum restlichen Körper muss gegeben sein um die Harmonie des Gesamteindrucks für den Betrachter nicht zu stören.
Die Forderung bzgl. Blaswerk „sehr hoch angesetzt“ ist im Erscheinungsbild des Brünner Kröpfers nochmals ein entscheidender Punkt und verleiht ihm ein Höchstmaß an Eleganz. Die besten Rassevertreter zeigen uns dieses Attribut schon, was sie in der Zucht und für die Ausstellung sehr wertvoll macht.
Negativ zu bewerten ist ein „aufgesetztes“ Blaswerk, es ruht optisch auf den Schulten und nimmt unserem kleinen Freund doch einiges an Eleganz.
Die Taille deutlich und gut geschnürt stellt den Übergang vom Kropf zum Brustbein da.
Dem „Model der Taubenszene“ würdig ist es ein Blickfang und unterstützt eine im Gesamtbild schlanke Figur. Diese feine Taille suggeriert eine optische Unterbrechung im Körperbau und vermittelt Zartheit. Haben wir eine wenig ausgeprägte, oder nicht vorhandene Taille, wird die fließende Linienführung des Brünners unterbrochen und der Phänotyp verändert sich in die ungewollte figürliche Richtung „kompakt“, unser Zuchtziel ist elegant!
Die Beschreibung des Körpers, genauer der Rumpf des Brünners ergibt sich naturgemäß aus allen im Standard benannten anderen Rasseattributen. Folgerichtig wird er als lang und schmal zwischen den Schultern beschrieben und ist so Garant für die Zartheit des Brünner Kröpfers. Ob er nun mit Zeigefinger und Daumen umspannt werden kann, wie es manchmal proklamiert wird, kommt doch sehr auf die Hand des „Prüfers“ an. Für mich kein „Maß“ das ich anlegen möchte, der Körper muss in das Erscheinungsbild eines zarten, kleinen Kröpfers passen.
Für die Zartheit des Brünners steht auch das gut sichtbare Brustbein. Es soll ein betontes Brustbein sein, also kein im Extrem angelegtes Merkmal ist gewünscht. Im Vergleich hierzu der Französische Kröpfer der ein „stark hervortretendes Brustbein“ im Standard fordert, dass dann auch im Standardbild durchaus „kantig“ wirkt.
Beim Brünner Kröpfer forcieren wir dagegen einen fließenden Übergang von der Taille kommend zum Schenkelansatz hin. Eine ausreichende Länge des Brustbeins muss in der Zucht verankert sein um im Zusammenspiel mit Taille und der Halslänge die entsprechende 2/3 Vorderlänge der gewünschten Proportion zu erreichen. Auch das Flügelschild hat Einfluss darauf wie wir die Ausprägung des Brustbeins wahrnehmen. Um das Brustbein optisch zur Geltung kommen zu lassen benötigen wir ein schmales Flügelschild. Breite Flügelschilder verdecken das was wir sehen wollen, machen ihn „rund“ und meist erschweren sie dem Brünner noch eines der Hauptrassemerkmale zu zeigen, das Flügelkreuzen. Sehr unterstützend ist auch die Verlaufsform des Flügels, eine leicht geschwungene Linienführung ist ideal um „das Kreuzen“ zu erreichen. Mit einem gerade verlaufenden Schwung und parallel zum Körper getragenen Flügel, wie ihn der Englische Kröpfer fordert, dann fehlt dem Brünner ein Hauptrassemerkmal und hohe Noten bleiben ihm verwehrt.
Der Schenkel darf die Harmonie der fließenden Formen nicht negativ beeinflussen und trägt zum Erscheinungsbild der „Figur“ bei. Folgerichtig sprechen wir von einem „fließenden Schenkelaustritt“. Schon bei diesem
Übergang, Rumpf zu den Läufen, mit der naturgemäß nicht allzu üppigen Befiederung, wirken fehlende, oder zu kurze, oder struppige Federchen sehr unschön und trüben dann das Gesamtbild. Im weiteren Verlauf soll der Unterschenkel feingliedrig sein und ausreichend befiedert. Die gesamte Länge der Läufe muss zum Gesamtbild passen und sie unterstreichen dann noch einmal die Eleganz die unseren Brünner Kröpfer auszeichnet. Es wäre sicherlich auch sehr befremdlich solch eine Ballerina auf kurzen, dicken Beinen zu sehen! Abweichungen von dem beschriebenen Schenkelverlauf sehen wir in stumpf zum Körper eingesteckten Läufen oder mit ausgeprägtem Schenkelbogen, den wir auch als „Froschschenkel“ bezeichnen. Beide Verlaufsformen wollen wir in der Zucht des Brünner Kröpfers und bei Ausstellung nicht sehen.
Die Hinterpartie trägt nicht unwesentlich zum Gesamtbild des Brünner Kröpfers bei und welche „Figur“ macht denn unser Brünner bitte wenn die Hinterpartie zu lang ist!
Die Hinterpartie untergliedert sich für mich in die Länge des Schambeins und des Schwanzgefieders. Um die Länge der Hinterpartie zu beurteilen gibt es für mich mehrere Anhaltspunkte um unsere Subjektivität etwas einzugrenzen. Einer davon, wenn in Ruheposition, bei schön aufgerichteter Haltung, das Schwanzende auf dem Boden aufsitzt, ist der Schwanz zu lang und/oder die Beine zu kurz! Beides weicht von der vorgegebenen Zuchtrichtung des Brünner Kröpfer stark ab. Bei der Balz darf der Brünner natürlich auch gerne kurzzeitig in die waagrechte gehen und mit gefächertem Schwanzgefieder über den Boden ziehen, es ist ein Zeichen von Temperament und macht ihn sehr liebenswert. Wir müssen aber immer das richtige Maß in der Zucht festigen um mit einer ansprechend kurzen Hinterpartie die Proportionen beim Brünner Kröpfer zu unterstützen. 1/3 Hinterpartie der Gesamtkörperlänge ist eine züchterisch zu erreichende und vernünftige Standardforderung aus meiner Sicht.
Zur aufgerichteten Haltung wie wir sie bei vielen Kröpferrassen mehr oder weniger ausgeprägt sehen. Wenn diese, wie bei unserem Brünner Kröpfer, noch mit einem zutraulichen Wesen gepaart ist, suggeriert es mir persönlich immer eine gewisse Bereitschaft über Gesten mit uns kommunizieren zu wollen.
Wenn Brünner dauerhaft in der Waagerechten stehen können sie das nicht, sie schauen auf den Boden – nicht zu mir – und haben somit schon einiges an Ausstrahlung verloren!
Bei der aufgerichteten Haltung bilden Rücken und Schwanz im Idealfall eine gerade, abfallende Linie. Ein in die Waagrechte geneigter Brünner Kröpfer verliert nicht nur, wie oben beschrieben an Charakter, auch viele von den vorher beschriebenen Rassemerkmalen sind in der körperlichen Ansicht nicht mehr zu erkennen. In der Zucht zeigt sich die waagrechte Haltung als schwer kontrollierbar und vererbt sich hartnäckig. Eine zweite unerwünschte Variante ist die angezogene Hinterpartie, hier kann der vordere Teil des Körpers durchaus aufgerichtet sein, der Schwanz wird dann jedoch zu einem stumpfen Winkel hin angezogen. Ein Übel das gerne übersehen, manchmal sogar wissentlich bei den Zuchttieren toleriert wird. Meiner Ansicht nach nicht weniger schädlich für die Zucht als die gesamte waagrechte Haltung und sollte nach Möglichkeit selektiert werden.
Auch das andere Extrem, eine übertrieben, dauerhaft, schon senkrechte Haltung wurde uns auf Aufstellungen hin und wieder gezeigt. Über die Maßen in die Senkrechte, aufgerichtete Brünner wirken steif und es fehlt dann ebenso an Eleganz. Eine aufgerichtete Haltung ist das Zuchtziel was uns der Standard vorgibt, keinen stramm stehenden Soldaten!
Es wird wahrscheinlich immer schwer bleiben ein subjektives Bild das wir von einem „Ideal“ haben in Worten zu beschreiben. Erst wenn man selbst versucht erklärende Worte für den „Musterbrünner“ zu finden, erahnt man welche Arbeit, Fachwissen und Fertigkeit bei der Wortwahl in unserer Standardbeschreibung steckt. Hier wurde in der Vergangenheit im Club der Brünner-Kröpfer-Züchter viel geleistet!
Die Welt der Rassegeflügelzucht ist aber nun mal von Subjektivität geprägt, bei der Auswahl der Zuchttiere ebenso wie bei den Bewertungen auf den Ausstellungen. Die Betrachtungsweise und das Gleiche Verständnis für das Merkmal sollten wir durch gute Kommunikation untereinander aber dennoch immer wieder erreichen können.
Dafür möchte ich stehen, im fachlichen Austausch mit Züchtern und Preisrichtern gleichermaßen!
Josef Wetzel, Biblis 2023