Das Hamburger Sticken und die Hamburger Sticken
Das Hamburger Sticken und die Hamburger Sticken
Manche Fehlbezeichnungen scheinen nicht auszurotten zu sein. Obschon in den ältesten Literaturausgaben korrekt verzeichnet, von Fachleuten aus der Heimatstadt und aus dem bundesweit wirkenden Sonderverein immer wieder betont, geistert “die Sticke”, eigentlich gar nicht existierend, immer noch durch manchen Fach-Blätterwald. In den lobenswerten neuen VDT-Nachrichten 1/2017 erneut unter dem Foto der lichtblauen Hamburger Sticken – Täubin von Rainer Dammers, Bad Bramstedt ( Champion-Anwärterin ).
Es mag an der Entfernung zur Heimatstadt liegen und / oder noch eher daran, daß Falsches nicht hinterfragt und kritiklos – absolut oberflächlich also – einfach nachgeredet wird.
Zur Sache, zum einzig richtigen Rassenamen in der Einzahl: “das Hamburger Sticken”, in der Mehrzahl gleichlautend “die Hamburger Sticken”, hier nochmals fundierte Quellen: Am 15.3.1929
( “Geflügel -Börse” ) schrieb Jonny Wichmann, Hamburg, 1. Vorsitzender des damaligen “Hamburger Sticken -Clubs” u.a.: “… Wir beabsichtigen, dem Sticken einen Mövchenkopf anzuzüchten, nicht einem einfarbigen Mövchen einen weißen Schwanz …” Am 21. Juni 1918 ( “Geflügel-Welt” ) merkte Oscar Vorwerk, Hamburg, unter “Das weißschwänzige Mövchen ( Sticken )” u.a. an: “… neben den eingebürgerten Hamburger Flugtaubenrassen” bedurfte man … ebenso wenig des Stickens …”
Zu diesen beiden “Hamburger Sticken -Vätern der ersten Stunde”, Jonny Wichmann und Oscar Vorwerk aus Hamburg, seien der, von den 1920er bis in die 1970er Jahre absolut führende Hamburger Züchter Wilhelm C.F. Ludewig und auch der Rassebeitrag von Heinrich Budenberg, Osnabrück, zum 10 jährigen SV-Bestehen ( Das Hamburger Sticken ) genannt. Der kompetent – richtungsweisenden Fachautoren gibt es noch zahlreiche mehr.
Alle Hamburger schütteln sich bei der “Sticke” mit Grausen!
Als Wort-Ursprung ist die Hamburger Farbenschlag-Bezeichnung “Stick” bzw. “Sticken-Schlag” für alle kappigen weißschwänzigen Lokaltaubenrassen zu sehen.
Auch in der allgemein norddeutschen Mundart gibt es “das Sticken”. Eine begriffliche Querverbindung liegt sozusagen auf der Hand. An der Hamburger Waterkant ist “das Sticken” ein spitzer Stab aus Holz oder Metall, so z.B. zum Durchstecken beim Riegel einer Stalltür oder zum Befestigen der im Schlick von Wassergräben festliegenden, mit Reisern umstellten Korbnetze zum Fisch- und Krebsfang.
Zurückkommend auf unser Hamburger Sticken, ist das Sticken also die Verdeutlichung von etwas besonders Auffälligem, vom Umfeld sich deutlich Abhebenden. Bei unserer Taubenrasse ist das der weiße Schwanz, der sich, gleichsam wie ein weißer Stab, vom sonst farbigen Gefieder absetzt.
Zum letzten blicken wir auf die für alle Züchter maßgeblichen “Musterbeschreibungen der Tauben”, so z.B. von 1954 ( S. 112 ) und 1959 ( S. 141 ) zurück. Die allein gültigen Bezeichnungen für unsere Rassetauben finden sich dort in der MB jeweils in der Überschrift neben dem Standardbild, und zwar grundsätzlich in der Einzahl und nicht in der Mehrzahl: Einzahl also “Das Hamburger Sticken”.
Mögen hiermit weitere “Rassefalschmeldungen” nun endlich ausgerottet sein!
Elke und Ingolf Jungnickel
Januar 2017